Für den Inhalt dieser Seite ist eine neuere Version von Adobe Flash Player erforderlich.

Adobe Flash Player herunterladen

Steuerberater Gißewski
Home
Unsere Mitarbeiter
Leistungsspektrum
Besondere Leistungen
News
Impressum
Datenschutzerklärung
Galerie
Anfahrt
Links

Brief für Unternehmer und Freiberufler des Monats Dezember 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Messeleistungen: EuGH kippt deutsche Verwaltungsauffassung

2.

Schenkungen der Muttergesellschaft an Mitarbeiter einer GmbH

3.

Verbilligte Überlassung von Wohnung immer Sachbezug?

4.

Arbeitgeber-Beiträge zur Insolvenzsicherung der Betriebsrenten bleiben unverändert

5.

Sind Fremdgeschäftsführer und Vorstände unionsrechtlich Arbeitnehmer?

6.

Neues Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)

7.

Bundesfinanzhof klärt Zeitpunkt der Zuordnung zum Unternehmensvermögen

8.

Zeitschriftenverlage: Sind vergünstigte Abos für Mitarbeiter umsatzsteuerpflichtig?

9.

Beteiligung an Hinterziehung in der EU steht Steuerbefreiung entgegen

10.

Betriebsratsmitglieder müssen nicht in unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden

11.

Finanzamt verzeiht keine Fehler bei Steuersoftware

12.

Vorsicht bei Vermietung zwischen Ehegatten

13.

Zur Abgrenzung eines Betriebsteilübergangs nach § 613a BGB

14.

Nicht zu unterschätzen: Die Durchführungsverordnung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie

15.

Auffälligkeiten bei "Chi-Quadrat-Test": kein Grund zur Umsatzschätzung

16.

Elternzeit kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers verlängert werden

17.

Zur Pflichtmitgliedschaft in der IHK

18.

Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen

19.

Pensionsrückstellungen können mit den Anschaffungskosten zu bewerten sein

20.

Wegfall der Bürgenhaftung bei Wechsel des Hauptschuldners

21.

Wann dürfen Registergerichte Gesellschafterlisten zurückweisen?

22.

Erwerb unverkörperter Mitgliedschaftsrechte an einer AG

23.

Wann sind befristete Arbeitsverhältnisse älterer Arbeitnehmer wirksam?

24.

Keine Einbringung eigener Aktien der AG als Sacheinlage

25.

AG Vorstände sind weitgehend weisungsunabhängig

26.

Rechtswidrigkeit eines unbestimmten Betriebsprüfungsbescheides

27.

Privater Arbeitgeber muss Besetzung freier Stelle mit Schwerbehinderten prüfen

28.

Voraussetzungen der "fehlerhaften Gesellschaft"

29.

Nur Wiederverkäufer können die Differenzbesteuerung nutzen



1. Messeleistungen: EuGH kippt deutsche Verwaltungsauffassung

Kernaussage
Die umsatzsteuerliche Würdigung von Messedienstleistungen ist relativ schwierig, wenn diese Leistungen im Ausland oder gegenüber Ausländern erbracht werden. Denn die korrekte umsatzsteuerliche Erfassung setzt bisher voraus, dass u. a. zutreffend zwischen Werbe-, Veranstaltungs- oder grundstücksbezogenen Leistungen differenziert wird, was für den Ort der Besteuerung entscheidend ist. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht sicher gestellt ist, dass das Ausland den Sachverhalt identisch behandelt. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei der Frage für mehr Klarheit gesorgt, wenn auch nicht zur Freude der deutschen Finanzverwaltung.

Sachverhalt
Ein polnisches Unternehmen stellte insbesondere ausländischen Kunden Messestände vorübergehend zur Verfügung. Die Leistung umfasste auch den Entwurf des Standes und gegebenenfalls auch dessen Beförderung und Aufbau. Zwecks Klärung der Ortsbestimmung dieser Dienstleistungen wandte sich das Unternehmen an das zuständige Finanzamt und klagte gegen die erteilte Auskunft. Das angerufene polnische Gericht legte daraufhin den Fall dem EuGH zur Entscheidung vor.

Entscheidung
Laut der dortigen Richter kann die erbrachte Leistung qualifiziert werden als 1. Werbeleistung, wenn der Kunde den Stand zur Absatzförderung seiner Waren bzw. Dienstleistungen nutzt. 2. Kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterhaltende o. ä. Leistung, wenn der Stand für eine Messe oder Ausstellung zu diesen Themenkreisen genutzt wird und die unter 1. genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. 3. Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, wenn 1. und 2. nicht zutreffen. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Messestand auf mehreren Messen in unterschiedlichen Ländern genutzt wird. Ausdrücklich weist der EuGH darauf hin, dass es sich auf keinen Fall um eine grundstücksbezogene Dienstleistung handelt.

Konsequenz
Das Urteil ist zwar noch zur Rechtslage vor dem Mehrwertsteuerpaket 2010 ergangen, betrifft aber auch die aktuelle Rechtslage. Die deutsche Finanzverwaltung wird umdenken müssen, präferierte sie doch bisher den grundstückbezogenen Ansatz, sofern es sich nicht um eine Veranstaltungsleistung handelte. Dies ist nun überholt. Für die Messebauer wird sich nun einiges vereinfachen. Soweit ihre Kunden Unternehmer sind, gilt nun für den Entwurf und die Überlassung von Messeständen das Empfängerortprinzip. Die Klärung einer grundstücksbezogenen Dienstleistung erübrigt sich insoweit. Lediglich bei Leistungen gegenüber Nichtunternehmern ist weiterhin eine Differenzierung notwendig.

2. Schenkungen der Muttergesellschaft an Mitarbeiter einer GmbH

Kernaussage
Zum Arbeitslohn gehören alle Vorteile für eine Beschäftigung, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst worden sind. D. h. die Einnahmen fließen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zu. Arbeitslohn kann auch bei einer Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt für eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt.

Sachverhalt
Der Kläger war als Mitarbeiter einer GmbH tätig, deren Alleingesellschafterin eine weitere GmbH war. Diese Alleingesellschafterin veräußerte sämtliche Anteile an der GmbH. Nach der Veräußerung erhielt der Kläger einen Scheck über 5.200 EUR von der Alleingesellschafterin, die ihm diese Summe aus Anlass des Anteilsverkaufs schenkte. Das Finanzamt sah die Zuwendung an den Kläger als von einem Dritten gezahlten Arbeitslohn an und forderte Lohnsteuer.

Entscheidung
Das Finanzgericht Düsseldorf wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde nicht zugelassen. Bei der streitigen Zuwendung handelte es sich nicht um eine Schenkung, sondern um Arbeitslohn. Vorliegend deuteten die objektiven Umstände der Zuwendung darauf hin, dass diese in Anerkennung der vom Kläger geleisteten Arbeit erfolgt war. Dies wurde auch dadurch deutlich, dass alle Arbeitnehmer der GmbH eine Zuwendung von der ehemaligen Konzernmutter erhalten hatten, dass die Zuwendungen zusammen mit den Bonuszahlungen für die erweiterte Geschäftsführung ausgezahlt worden waren und dass die Zuwendungen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des Anteilsveräußerungsvertrags standen.

Konsequenz
Für die Qualifizierung von einem Arbeitnehmer gewährten Vorteilen als Arbeitslohn ist es nicht erforderlich, dass sie eine Gegenleistung für eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers sind. Ebenfalls unmaßgeblich ist, dass der Arbeitnehmer auf die Zuwendung in der Regel keinen arbeitsvertraglichen oder sonstigen Anspruch hat. Voraussetzung ist lediglich, dass sich die Zuwendung für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht.

3. Verbilligte Überlassung von Wohnung immer Sachbezug?

Kernproblem
Zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gehören auch Sachbezüge, die der Arbeitgeber aus dem Dienstverhältnis gewährt. Solche sogenannten geldwerten Vorteile finden sich in der Praxis häufig in der Gestellung eines Dienstwagens. Auch die verbilligte Überlassung einer Wohnung durch den Arbeitgeber kann einen solchen Vorteil darstellen. Aber wann ist von einer "Verbilligung" auszugehen? Reichen hierfür bereits Lücken bei der Weiterbelastung von Nebenkosten aus, obwohl die Miete wie unter Fremden vereinbart ist? Mit dieser Thematik hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt auseinandergesetzt.

Sachverhalt
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war Eigentümerin von 68 Wohnungen, die sie an Mitarbeiter und fremde Dritte vermietete. Die ortsübliche Miete wurde turnusmäßig von einem öffentlich bestellten Gutachter ermittelt und die dabei festgestellten Mietwerte umgehend angepasst. Nebenleistungen blieben in dem Gutachten unberücksichtigt. Das Finanzamt stellte bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung fest, dass die Kosten für Hausversicherungen, Grundsteuer und Straßenreinigung nicht abgerechnet wurden und wertete dies als geldwerten Vorteil. Die Vermieterin verwies auf die Gleichbehandlung von 22 fremdvermieteten Wohnungen und dem Ziel einer Standardisierung der Nebenkostenabrechnungen. Das Finanzamt lehnte das Argument mit der Begründung ab, dass der Anteil an Fremdmietern nur 7,5 % betrage, weil ehemalige Arbeitnehmer nicht als Fremdmieter anzusehen seien. Der Fremdvergleich erfordere einen hören Anteil. Das Finanzgericht stützte die Auffassung des Finanzamts u. a. auch deswegen, weil der Anteil unter 10 % lag.

Entscheidung
Der BFH hat die Sache zur weiteren Untersuchung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Von einer verbilligten Überlassung sei nur auszugehen, soweit die tatsächlich erhobene Miete zusammen mit den tatsächlich abgerechneten Nebenkosten die ortsübliche Miete (Kaltmiete plus umlagefähige Nebenkosten) unterschreite. Als ortsüblich sei jeder Mietwert anzusehen, den der Mietspiegel im Rahmen einer Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweise. Eine verbilligte Überlassung müsse zudem ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis haben. Der Fremdvergleich bleibe hierfür ein gewichtiges Indiz. Es könne jedoch nicht typisierend davon ausgegangen werden, dass bei einem unter 10 % liegenden Anteil an fremdvermieteten Wohnungen ein Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis bestehe.

Konsequenz
Die Betrachtungsweise des BFH ermöglicht die Verrechnung einer über der Untergrenze liegenden Kaltmiete mit den nicht erhobenen Nebenkosten. Aufgrund der Ausführungen des BFH ist zu vermuten, dass auch im Fall eines Unterschreitens die Einschaltung des Gutachters, der Fremdvergleich und der Wille zur Vereinheitlichung den Ausschlag zugunsten des Arbeitgebers geben.

4. Arbeitgeber-Beiträge zur Insolvenzsicherung der Betriebsrenten bleiben unverändert

Hintergrund
Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) in Köln sichert die betriebliche Altersversorgung im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers und zahlt die laufenden Betriebsrenten und gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften weiter. Dies gilt uneingeschränkt für die Durchführungswege der Direktzusage, soweit ein widerrufliches Bezugsrecht besteht oder bei unwiderruflichem Bezugsrecht die Ansprüche abgetreten, verpfändet oder beliehen sind und bei der Unterstützungskasse. Bei einem Pensionsfonds werden Leistungen gesichert, die im Zeitpunkt der Insolvenz nicht vom Pensionsfonds selbst geleistet werden können, etwa weil der Arbeitgeber noch nicht in ausreichendem Umfang seiner Beitragspflicht nachgekommen ist. Finanziert wird der PSVaG durch Pflichtbeiträge der Arbeitgeber. Seinen Beitragssatz für das Jahr 2011 hat der PSVaG auf 1,9 Promille der Bemessungsgrundlage festgesetzt.

Beitragssatz für 2011
Der PSV teilte am 4.11.2011 mit, dass der niedrige Beitragssatz von 1,9 Promille bezogen auf die von den Arbeitgebern bis zum 30.9.2011 gemeldete Beitragsbemessungsgrundlage eine Entspannung der Insolvenzentwicklung anzeige. Als Bemessungsgrundlage dienen die vom PSVaG abgesicherten Rückstellungen für Betriebsrenten in den Bilanzen der Mitgliedsunternehmen. Insgesamt ist ein Beitrag in diesem Jahr in Höhe von rund 560 Mio. EUR zu leisten. Im Krisenjahr 2009, in dem Großinsolvenzen wie Arcandor und Qimonda zu verzeichnen waren, wurde ein Höchstbeitragssatz von 14,2 Promille veranschlagt. Der Durchschnittsbeitragssatz liegt bei 3,1 Promille. Da weder im Vorjahr noch bis zur Jahresmitte ein außerordentlicher Großschaden beim PSVaG zu verzeichnen war, liegt der Beitragssatz somit weiterhin deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre.

Konsequenz
Der öffentliche Auftrag des PSVaG und seine Vorgehensweise basieren auf den gesetzlichen Grundlagen zur betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz). Dieses Gesetz schreibt dem PSVaG eine Beitragsbemessung anhand des Barwertes der im laufenden Kalenderjahr entstehenden Ansprüche auf Leistung durch den PSVaG zuzüglich der aufgrund eingetretener Insolvenzen zu sichernden Anwartschaften vor. Anhand der Beitragsbemessung durch den PSVaG lässt sich daher ein Bild der Wirtschaftslage zeichnen.

5. Sind Fremdgeschäftsführer und Vorstände unionsrechtlich Arbeitnehmer?

Rechtslage
Eine Vielzahl arbeitnehmerschützender Regelungen ist europarechtlich kodifiziert. Darunter fallen insbesondere Regelung des Diskriminierungsschutzes und grundlegende Arbeitnehmerschutzvorschriften (hier: Mutterschutz). Dabei gilt, dass sich diese europarechtlichen Regelungen nach dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff richten. Nach deutschem Arbeitnehmerbegriff sind Mitglieder eines Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft, insbesondere der GmbH-Geschäftsführer, in keinem Fall als Arbeitnehmer anzusehen, weil der Geschäftsführer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Entsprechend kann der Geschäftsführer auch keine Arbeitnehmerschutzrechte in Anspruch nehmen. Für den Bereich des Mutterschutzes hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf eine lettische Vorlagefrage hin darüber zu entscheiden, ob die Kündigung bzw. die Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin aufgrund geltender Mutterschutzvorschriften wirksam sein kann.

Sachverhalt
Die Klägerin war (für 3 Jahre) zur Geschäftsführerin einer Kapitalgesellschaft berufen, ohne an deren Kapital beteiligt zu sein (sogenannte Fremd-Geschäftsführerin). Ob ein schuldrechtlicher Anstellungsvertrag bestand, war zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls erhielt die Geschäftsführerin eine Vergütung und hatte Urlaubsansprüche. Als die Schwangerschaft der Klägerin bekannt wurde, berief das Aufsichtsgremium der Kapitalgesellschaft die Geschäftsführerin ab, was gleichbedeutend mit der Kündigung eines etwaigen Anstellungsvertrages war. Nach lettischem Recht war insbesondere die Abberufung jederzeit uneingeschränkt zulässig. Die Klägerin machte geltend, sie sei alleine wegen ihrer Schwangerschaft in diskriminierender Weise und unter Verstoß gegen unionsrechtlichen Mutterschutz abberufen bzw. gekündigt worden.

Entscheidung
Der EuGH gab der Klägerin Recht. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff sei dadurch gekennzeichnet, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringe, für die sie eine Vergütung erhalte. Dass das lettische Recht das Verhältnis zwischen Mitglied der Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft und Kapitalgesellschaft nicht als Arbeitsverhältnis einstufe, sei für die unionsrechtliche Einordnung nicht maßgeblich. Vor diesem Hintergrund sei für Zwecke der Gewährung unionsrechtlichen Mutterschutzes die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft zu bejahen. Die Arbeitnehmereigenschaft bestehe, wenn das Leitungsmitglied der Gesellschaft gegenüber Leistungen erbringe und in sie eingegliedert sei, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübe und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhalte. Zudem wies der EuGH darauf hin, dass eine nationale Regelung, die eine Kündigung eines schwangeren Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft erlaube, wegen des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots selbst dann unzulässig sein könnte, wenn das Mitglied der Unternehmensleitung nicht unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fiele.

Konsequenz
Die Entscheidung hat auch Auswirkungen für Deutschland, das in seinen nationalen Regelungen mit den im Verfahren vor dem EuGH streitgegenständlichen lettischen Gesetzesregelungen zumindest vergleichbar ist. Konkret bedeutet dies, dass jedenfalls weibliche Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und Fremdgeschäftsführerinnen einer GmbH unter den Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes fallen. Ob sie mit allen Konsequenzen als Arbeitnehmerinnen anzusehen sind, ist nicht abschließend festgestellt; allerdings geht die Ansicht des EuGH wohl in diese Richtung.

6. Neues Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)

Rechtslage
Am 27.10.2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist, die Sanierungswahrscheinlichkeit von krisengefährdeten Unternehmen zu steigern und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Die geänderten bzw. neu eingefügten insolvenzrechtlichen Vorschriften werden voraussichtlich im ersten Quartal 2012 in Kraft treten.

Die wichtigsten Änderungen des ESUG
Insbesondere zur Zielerreichung beitragen sollen die Stärkung des Einflusses der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters sowie die Stärkung der Position von Clearinghäusern. Daneben soll der Zugang zur Eigenverwaltung vereinfacht werden. Weiterhin ist beabsichtigt, durch eine Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeiten eine dauerhafte Qualitätssteigerung zu erreichen. Die Einführung des neuen sogenannten Schutzschirmverfahrens ermöglicht es, innerhalb von 3 Monaten unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Weitere zentrale Neuerung ist, dass über einen Insolvenzplan in die Anteilsrechte der an der insolventen Gesellschaft beteiligten Personen eingegriffen werden kann. Insbesondere besteht die Möglichkeit, Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der notleidenden Gesellschaft umzuwandeln ("dept-equity-swap").

Aussicht
Mit der bestehenden Insolvenzordnung (InsO) hat der Gesetzgeber trotz entsprechender Instrumente bisher nicht für die Pflicht zu einer frühzeitigen Antragstellung und damit einhergehenden Sanierung gesorgt. Die Neuregelungen zum Planverfahren sowie das Schutzschirmverfahren bieten nunmehr einen Anreiz zur frühzeitigen Antragstellung. Andererseits ist zu befürchten, dass sich Neugläubiger ggf. einer stammkapitallosen Gesellschaft gegenübergestellt sehen und ihr Ausfallrisiko steigt. Ferner bestehen Bedenken, dass aufgrund der Einbindung der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen zur Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital, Hedgefonds o. ä. gezielt Forderungen aufkaufen, um so die Herrschaft über das Schuldnerunternehmen zu erlangen.

7. Bundesfinanzhof klärt Zeitpunkt der Zuordnung zum Unternehmensvermögen

Kernaussage
Unternehmer können die Vorsteuer aus dem Erwerb eines gemischt genutzten Grundstücks geltend machen, sofern sie dieses dem Unternehmensvermögen zuordnen. Die Zuordnungsentscheidung muss im Zeitpunkt des Leistungsbezugs erfolgen. Umstritten war bisher, bis zu welchem Zeitpunkt diese Zuordnungsentscheidung gegenüber dem Finanzamt offen zu legen ist. Die Finanzverwaltung verlangte dies schon mit Abgabe der Voranmeldungen. Der Bundesfinanzhof ist jedoch anderer Auffassung.

Sachverhalt
Der als Bezirksschornsteinfeger unternehmerisch tätige Kläger und seine Ehefrau errichteten im Jahr 2003 ein Gebäude auf einem ihnen jeweils hälftig gehörenden Grundstück. 41,5 % der gesamten Nutzfläche entfielen auf das vom Kläger für sein Unternehmen genutzte Büro, der Rest war eigene Wohnfläche der Eheleute. Der Kläger aktivierte in seiner Bilanz für das Jahr der Errichtung den betrieblich genutzten Gebäudeteil nur mit Nettowerten; die in diesem Jahr in Rechnung gestellten Vorsteuern erklärte er erstmals und vollständig in seiner am Ende des Folgejahres (Streitjahr 2004) beim beklagten Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2003. Die im Streitjahr entstandenen Vorsteuern machte der Kläger ebenfalls nicht im Rahmen der Voranmeldung, sondern erst in der Jahreserklärung 2004 geltend. Die Parteien stritten fortan darüber, ob der Kläger eine rechtzeitige Entscheidung zugunsten einer Zuordnung der Gebäudes zu seinem Unternehmen getroffen hatte.

Entscheidung
Nach Ansicht der Bundesfinanzrichter reicht es aus, wenn die Zuordnungsentscheidung in der Jahreserklärung dokumentiert wird. Dies gilt aber nur, wenn die Erklärung innerhalb der gesetzlichen Abgabefrist, d. h. bis zum 31.5. des Folgejahres, abgegeben wird.

Konsequenz
Das Urteil stellt für die Betroffenen und deren Berater zunächst eine erhebliche Vereinfachung dar, da nun die Gefahr gebannt ist, durch mangelnde Dokumentation der Zuordnung im Rahmen der Voranmeldungen den Vorsteuerabzug zu verlieren. Zu beachten ist allerdings Folgendes: Das Urteil betrifft die Rechtslage vor 2011 (Seeling-Modell). Ab 2011 ist es nicht mehr möglich, zunächst den kompletten Vorsteuerabzug für das gesamte Gebäude vorzunehmen, sondern nur noch, soweit dieses zu Umsätzen genutzt wird, die einen Vorsteuerabzug zulassen. Dennoch sollte unverändert das komplette Grundstück dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden. Dies ermöglicht später noch einen anteiligen Vorsteuerabzug, wenn die unternehmerische Nutzung des Grundstücks ausgeweitet wird. Die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung ist daher unverändert wichtig und muss zwingend bis zum 31.5. des Folgejahres erfolgen. Danach ist sie nicht mehr möglich. Fristverlängerungen, die zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung gewährt werden, sind insoweit irrelevant. Auch ist es nicht möglich, bis zur formellen Bestandskraft des ergehenden Umsatzsteuerbescheides, die getroffene Zuordnungsentscheidung zu ändern. In der Praxis werden die Erklärungen häufig erst nach dem 31.5. des Folgejahres erstellt. Hier muss die Zuordnungsentscheidung dann dem Finanzamt, z. B. durch ein separates Anschreiben, bis zum Ablauf der Frist mitgeteilt werden. Unabhängig hiervon kann Steuerpflichtigen nur geraten werden, schon bei Planung einer Investition in eine Immobilie steuerlichen Rat einzuholen. Nur so können irreversible steuerliche Schäden vermieden werden. Die zu späte Zuordnung zum Unternehmensvermögen ist nur eine von vielen möglichen Fehlerquellen.

8. Zeitschriftenverlage: Sind vergünstigte Abos für Mitarbeiter umsatzsteuerpflichtig?

Kernaussage
Verbilligte Lieferungen an Arbeitnehmer stehen regelmäßig im Fokus von Betriebsprüfungen. Fraglich ist zunächst, ob diese Lieferungen überhaupt der Umsatzsteuer unterliegen. Sind sie umsatzsteuerbar, ist die Höhe der Bemessungsgrundlage fraglich. In Betracht kommt hier zunächst das vereinbarte Entgelt. Ist dies jedoch niedriger als die Selbstkosten des Unternehmens, sind diese anzusetzen (Mindestbemessungsgrundlage).

Sachverhalt
Ein Verlag lieferte Tageszeitungen im Abonnement an seine Mitarbeiter. Strittig war die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Während das Finanzamt den Ansatz des regulären Abonnementpreises nebst Zustellgebühren verlangte, legte der Verlag lediglich 30 % hiervon der Umsatzsteuer zugrunde.

Neues Urteil
Der Bundesfinanzhof (BFH) stimmt dem Ansatz des Finanzamts zu. Er folgte der Argumentation des Verlags nicht, wonach die Abonnements primär unternehmerischen Zwecken dienten und die Zahlungen der Arbeitnehmer lediglich als nicht steuerbare Zuschüsse zu qualifizieren seien. Der Verlag hatte dies mit Auflagensteigerung, Information der Arbeitnehmer sowie Förderung der Corporate Identity begründet. Zum Ansatz des regulären Abonnementpreises nebst Zustellgebühren als Mindestbemessungsgrundlage kam der BFH, weil die Selbstkosten oberhalb dieses Preises lagen. Hier hatte der Verlag erfolglos den Ansatz der Grenzkosten gefordert, da mit jeder zusätzlichen Zeitung auch eine Werbeleistung an die Anzeigenkunden erbracht würde.

Konsequenzen
Das Urteil dürfte von der gesamten Verlagsbranche zu beachten sein. Abonnements an eigene Arbeitnehmer sind mit dem üblichen Abonnementpreis nebst Zustellkosten der Umsatzsteuer zu unterwerfen, unabhängig vom tatsächlich vom Arbeitnehmer gezahlten Preis. Nur wenn der Nachweis gelingt, dass die Selbstkosten unterhalb des Abonnementpreises liegen, können diese angesetzt werden. Dies ist jedoch bei Verlagen selten der Fall, da die Preise für ein Abonnement auch die Werbeeinnahmen aus Anzeigen berücksichtigen. Andere, wirtschaftlich durchaus nachvollziehbare Argumente, die einen geringeren Ansatz rechtfertigen könnten, wurden von den Klägern vorgebracht und vom BFH verworfen.

9. Beteiligung an Hinterziehung in der EU steht Steuerbefreiung entgegen

Kernaussage
Innergemeinschaftliche Lieferungen sind steuerfrei, wenn der Lieferant die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachweist. Hierzu ist u. a. der sogenannte Buch- und Belegnachweis nötig. Doch auch wenn alle erforderlichen Nachweise erbracht sind, kann die Steuerbefreiung versagt werden, wenn der Lieferant sich an einem Umsatzsteuerbetrug beteiligt.

Sachverhalt
Der Kläger lieferte Pkw nach Frankreich an ein spanisches Unternehmen, das die Fahrzeuge an Endkunden veräußerte. Der Kläger behandelte den Verkauf der Pkw als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Trotz Erbringung der erforderlichen Nachweise lehnte das Finanzamt die Steuerbefreiung ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass der spanische Abnehmer den innergemeinschaftlichen Erwerb in Frankreich nicht besteuert habe. Stattdessen habe er den Verkauf der Differenzbesteuerung unterworfen und so Umsatzsteuer hinterzogen. Der Kläger habe zur Verschleierung dieser Hinterziehung beigetragen, so dass ihm die Steuerbefreiung zu versagen sei.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) sah in dem Sachverhalt einen "strukturierten Verkaufsablauf", der dazu diente, die Erwerbsbesteuerung in Frankreich zu umgehen. Da der Kläger sich hieran wissentlich beteiligt hatte, versagten die Richter die Steuerbefreiung, obwohl die Voraussetzungen für eine Befreiung objektiv vorlagen.

Konsequenz
Wer wissentlich und strukturiert Verkäufe in der EU so abwickelt, dass er es dem Abnehmer ermöglicht, eine Hinterziehung zu verschleiern, verliert die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen. Dann hilft es auch nicht, wenn alle erforderlichen Nachweispflichten erfüllt werden. Mag das Urteil auch im konkreten Fall nachvollziehbar sein, so lebt hierdurch die Gefahr für steuerehrliche Unternehmen auf, für das Verhalten ihrer Kunden zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn ihnen eine Beteiligung an einer Hinterziehung zu Unrecht unterstellt wird. Zumal der BFH es noch offen ließ, ob es für die Versagung der Steuerbefreiung ggf. auch schon ausreicht, dass dem Lieferanten lediglich bekannt ist, dass sein Kunde seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, ohne dass er diesen dabei unterstützt, seine Identität zu verschleiern.

10. Betriebsratsmitglieder müssen nicht in unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden

Kernfrage
Mitglieder des Betriebsrats sowie vergleichbarer betriebsverfassungsrechtlicher Einrichtungen (z. B. Auszubildendenvertretung) genießen besonderen arbeitsrechtlichen Schutz. Insbesondere schützt das Betriebsverfassungsgesetz Betriebsratsmitglieder davor, dass sie alleine wegen ihrer Betriebsratstätigkeit gegenüber anderen Mitarbeitern benachteiligt werden. Das Landesarbeitsgericht Berlin hatte über die Voraussetzungen und Abgrenzungsfragen einer solchen (vermeintlichen) Benachteiligung zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Kläger war Betriebsratsmitglied und befristet beim Arbeitgeber angestellt. Am Ende der Befristung wurde der Arbeitnehmer nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen, was bei anderen Arbeitnehmern - darunter auch Mitglieder des Betriebsrats - aber erfolgte. Mit seiner Klage machte er einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend, weil er alleine wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht übernommen worden sei.

Entscheidung
Das Gericht wies die Klage ab. Zwar könnten Betriebsratsmitglieder den vom Kläger geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch haben; insbesondere dann, wenn andere "normale" Arbeitnehmer in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen würden. Allerdings konnte der Kläger hier nicht darlegen, dass es in seiner Person zu einer Benachteiligung gekommen sei, weil der Arbeitgeber andere, zunächst befristet angestellte Betriebsratsmitglieder in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen hatte.

Konsequenz
Die Entscheidung spielt im Bereich der Darlegungs- und Beweispflichten, innerhalb derer der Kläger die erforderliche Benachteiligung nicht beweisen konnte. Zu beachten ist aber, dass sich die Sache "gedreht" hätte, wenn der Arbeitgeber kein Betriebsratsmitglied unbefristet übernommen hätte.

11. Finanzamt verzeiht keine Fehler bei Steuersoftware

Kernproblem
Aufgrund der Komplexität des Steuerrechtes greifen viele Steuerpflichtige zur Steuererklärungssoftware, um ihre Einkommensteuererklärung zu erstellen. Doch auch bei Nutzung dieser Programme ist die fertige Einkommensteuererklärung häufig nicht korrekt. Entweder arbeiten die Programme selbst nicht immer fehlerfrei, wie diverse Tests dokumentieren, oder der Anwender übersieht wichtige Details. Was passiert aber nun, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen auf das Programm Fehler zu seinen Lasten begeht? Steuerpflichtige können eine Korrektur eines bestandskräftigen Steuerbescheides zu ihren Gunsten nur dann beantragen, wenn sie kein grobes Verschulden hinsichtlich des Grundes der Korrektur trifft.

Sachverhalt
Die Kläger erstellten ihre Einkommensteuererklärung 2008 mit einer handelsüblichen Software. Hierbei übersahen sie den Abzug für entstandene Kinderbetreuungskosten. Etwa ½ Jahr nach Ergehen des Bescheids beantragten sie nachträglich deren Berücksichtigung. Das Finanzamt verweigerte dies. Es sah hierin ein grobes Verschulden der Kläger, da das entsprechende Formular (Anlage K) auf die Kinderbetreuungskosten hinweise. Dem widersprachen die Kläger und beriefen sich u. a. auf die verwirrenden steuerlichen Vorschriften, den Stress durch erneuten Nachwuchs sowie auf den Umstand, dass die genutzte Software die Anlage K nicht automatisch anzeige, sondern über ein eigenes Menü durch die Erklärung führe.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gab dem Finanzamt Recht. Demnach weist die Anlage K sowohl in Papierform als auch im Elster-Programm der Finanzverwaltung ausreichend auf die Kinderbetreuungskosten hin. Wer sich dieser, von der Finanzverwaltung bereitgestellten Möglichkeit zur Abgabe der Steuererklärung nicht bedient, muss sich die Fehler, die durch Nutzung eines Softwareprogramms entstehen, als eigenes grobes Verschulden anrechnen lassen.

Konsequenz
Das FG behandelt die Nutzung von Steuersoftware genauso, wie die Beauftragung eines steuerlichen Beraters. Fehler der Software werden dem Steuerpflichtigen zugerechnet. Allerdings haften Steuerberater für Schäden. Ob hingegen die Softwarehersteller für Fehler oder schwer verständliche Programme zur Rechenschaft gezogen werden können, dürfte fraglich sein. Zudem ist zu beachten, dass Fehler der Software den Nutzern in der Regel gar nicht auffallen, da die Steuerbescheide das wiedergeben, was die Nutzer deklariert haben. Ihre Nutzung ist daher nicht gänzlich ohne Risiko.

12. Vorsicht bei Vermietung zwischen Ehegatten

Kernaussage
Aktuell hatte sich der Bundesfinanzhof (BFH) wieder einmal mit einem umsatzsteuerlichen Dauerbrenner zu befassen: Wenn 2 Ehegatten ein Haus errichten und einer der Ehegatten einen Teil des Hauses unternehmerisch nutzen will, stellt sich die Frage, wie der Vorsteuerabzug optimiert werden kann.

Sachverhalt
Die Kläger (Ehegatten) errichteten ein Haus auf einem dem Ehemann sowie der Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörenden Grundstück. Ca. 40 % des Gebäudes nutzte der Ehemann als Büro, den Rest nutzten die Ehegatten privat. Die Ehefrau vermietete ihren (zivilrechtlich) hälftigen Miteigentumsanteil unter Option zur Umsatzsteuer an ihren Ehegatten. Ziel der Vermietung war es, den Abzug der Vorsteuer für die Grundstücksteile zu erreichen, die der Ehefrau zuzurechnen waren (Seeling-Modell). Für den Ehemann sollte so keine zusätzliche Belastung entstehen, da er zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Strittig war zunächst nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für die Eigennutzung der privaten Räume. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg, weil dies den Vorsteuerabzug grundsätzlich in Frage stellte, da die notwendige Zuordnung zum Unternehmensvermögen zu spät erfolgt sei. Der Fall landete daraufhin beim BFH.

Entscheidung
Entgegen der Vorinstanz kommt der BFH zu einem Ergebnis, das nicht nur die Ehegatten überrascht haben dürfte. Laut Ansicht der Richter lag umsatzsteuerlich überhaupt keine Vermietung zwischen den Ehegatten vor, weil dem Ehemann nicht vermietet werden konnte, was ihm zuvor schon geliefert wurde. Der BFH bezieht sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach in solchen Fällen schon mit der Herstellung bzw. Anschaffung des Objekts eine Lieferung direkt an den Unternehmerehegatten erfolgt, sofern dessen unternehmerische Nutzung (hier: 40 %) nicht seinen Miteigentumsanteil (hier: 50 %) übersteigt.

Konsequenz
Die Ehefrau wurde durch die zivilrechtliche Vermietung nicht zur Unternehmerin. Da sie jedoch Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, schuldete sie diese auch. Ihrem Ehemann stand jedoch kein Vorsteuerabzug hieraus zu. Allein das im Revisionsverfahren geltende Verböserungsverbot verhinderte letztendlich noch Schlimmeres für die Ehegatten. Für die Praxis ist zu beachten, dass die vorliegende Gestaltung zumindest vor Ergehen des EuGH-Urteils nicht unüblich war. Für die Zukunft sollte von solchen Gestaltungen Abstand genommen werden. Allerdings ist unklar, ob der BFH zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Vermietung durch die Miteigentümergemeinschaft erfolgt wäre.

13. Zur Abgrenzung eines Betriebsteilübergangs nach § 613a BGB

Rechtslage
Auf eine deutsche Vorlagefrage hin hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, wann ein Betriebsteil im Wege eines sogenannten Betriebsübergangs übergehen kann. ein Übergang ist auch dann möglich, wenn der Betriebsteil beim neuen Inhaber nicht als organisatorisch selbstständiger Betriebsteil fortgeführt, sondern lediglich die Tätigkeit mit im Wesentlichen gleichen Produktionsfaktoren gleichartig fortgeführt werde. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr die Angelegenheit auf nationaler Ebene zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Kläger war als Abteilungsleiter bei einer GmbH beschäftigt gewesen. Die Rechtsvorgängerin des beklagten Unternehmens hatte einige der Produktlinien, die in der Abteilung des Klägers bei der GmbH entwickelt worden waren, gekauft und erwarb zudem noch Software- und Patentrechte, Produktnamen und Know-how sowie die damit verbundene Kunden- und Lieferantenliste. Aus der Abteilung bei der GmbH wurden lediglich 4 Arbeitnehmer von der Rechtsvorgängerin des Beklagten übernommen. Der Kläger klagte darauf gegen das beklagten Unternehmen auf Weiterbeschäftigung, weil es zu einem Betriebsübergang gekommen sei. Nachdem das Landesarbeitsgericht (LAG) nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zugunsten des Klägers geurteilt hatte, musste das BAG als letzte Instanz entscheiden.

Entscheidung
Das BAG revidierte die Entscheidung des LAG und wies die Klage ab. Zwar habe der Europäische Gerichtshof die Anforderungen an einen Betriebsteilübergang auf Erwerberseite reduziert; dies beträfe aber nicht die Beurteilung auf Verkäuferseite. Damit es überhaupt zu einem Betriebsübergang bei Veräußerung eines möglichen Betriebsteils kommen könne, müsse bereits beim Verkäufer ein Betriebsteil im Sinne einer selbstständigen organisatorischen, abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit vorgelegen haben. Dies habe sich auch durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht geändert. Das Landesarbeitsgericht habe aber insofern unzutreffend angenommen, dass bei der GmbH ein Betriebsteil vorgelegen habe. Tatsächlich sei die Abteilung in Form der verkauften Betriebsmittel einschließlich der 4 übernommenen Arbeitnehmer aber kein solcher Betriebsteil gewesen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Komplexität des Themas Betriebsübergang; insbesondere dann, wenn lediglich ein Betriebsteil übergeht. Insoweit bleibt es dabei, dass eine zweiseitige Prüfung (beim Verkäufer einerseits und beim Erwerber anderseits) zu dem Ergebnis führen muss, dass jeweils ein Betriebsteil vorliegt. Geändert hat sich aber die Einschätzung, sobald festgestellt ist, dass auf Verkäuferseite ein Betriebsteil vorgelegen hat. Dann sind die Anforderungen auf Erwerberseite nach Maßgabe der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr so hoch.

14. Nicht zu unterschätzen: Die Durchführungsverordnung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Rechtslage
Für viele Unternehmer ist schon das nationale Umsatzsteuergesetz (UStG) ein Buch mit 7 Siegeln, von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) ganz zu schweigen. Nun ist mit Wirkung vom 1.7.2011 noch die Durchführungsverordnung (DVO) zur MwStSystRL hinzu gekommen, welche zu beachten ist.

Die Durchführungsverordnung (DVO)
Die DVO dient der einheitlichen Auslegung der MwStSystRL. Sie soll unterschiedliche Auslegungen der Vorschriften bzw. Begriffe der MwStSystRL in den einzelnen Mitgliedstaaten und damit sogenannte Qualifikationskonflikte verhindern. Im Gegensatz zur MwStSystRL ist die DVO verbindliches und unmittelbar geltendes Recht, bedarf also nicht der Umsetzung ins nationale UStG. Inhaltlich beschäftigt sich die DVO nahezu mit allen Bereichen des UStG, wobei der Schwerpunkt auf der Besteuerung der Dienstleistungen liegt. Hier werden u. a. Begriffe wie Steuerpflichtiger, feste Niederlassung u. ä. definiert, die der MwStSystRL entstammen, aber dem UStG fremd sind. Ferner sind der DVO Hinweise zur Ortsbestimmung bei Dienstleistungen zu entnehmen, die so bisher nicht im UStG zu finden sind.

Konsequenz
Jeder, der umsatzsteuerlich gut beraten sein möchte, muss die DVO kennen. Dies gilt insbesondere für Unternehmer und auch deren Berater, die grenzüberschreitend Dienstleistungen erbringen oder empfangen. Sich allein auf das UStG zu verlassen, ist riskant. Der Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) wurde mittlerweile an die DVO angepasst. Allerdings ist auch der Erlass nur eine begrenzte Hilfe, da er nur die Auffassung der Finanzverwaltung wiedergibt und entsprechend nicht alle Aussagen der DVO gleichermaßen im UStAE berücksichtigt wurden.

15. Auffälligkeiten bei "Chi-Quadrat-Test": kein Grund zur Umsatzschätzung

Kernaussage
Im Rahmen der digitalen Betriebsprüfung werden insbesondere Fahrtenbücher, Spesenabrechnungen und Kassenbücher überprüft, da in diesen Bereichen Manipulationen besonders häufig festgestellt werden. Mit dem sog. "Chi-Quadrat-Test" werden Verteilungseigenschaften einer statistischen Grundgesamtheit untersucht. Hierbei werden empirisch festgestellte und theoretisch erwartete Häufigkeiten verglichen und zugrunde gelegt, dass jeder Mensch Lieblingszahlen hat und diese unterbewusst bei Manipulationen in der Buchführung verwendet. Stellt der Prüfer fest, dass bestimmte Zahlen in der Buchhaltung von der statistischen Häufigkeit abweichen und einen Grenzwert überschreiten, wird von Manipulation ausgegangen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz stellte nunmehr klar, dass der Test allein nicht geeignet ist, Beweis dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist.

Sachverhalt
Die Klägerin betreibt einen Friseursalon. Anlässlich einer steuerlichen Außenprüfung für 2005 bis 2007 bemängelte der Prüfer, dass die Kassenbücher in Form von Excel-Tabellen geführt wurden und die Unveränderbarkeit der Kassenbucheintragungen damit nicht gewährleistet sei. Die im Rahmen der Prüfung erstellte Strukturanalyse und der darin enthaltende Chi-Quadrat-Test hätten eine 100 %ige Manipulationswahrscheinlichkeit ergeben. Das beklagte Finanzamt folgte dem Prüfer und erhöhte die erklärten Umsatzerlöse um jährlich 3.000 EUR. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Entscheidung
Das Finanzamt hat nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht, dass das eingesetzte Kassenprogramm Manipulationen ermöglichte. Selbst wenn der Chi-Quadrat-Test zu Beanstandungen führt, so die Richter, sei dies nicht geeignet, Beweis dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Auch begründe dies keine Zuschätzungsbefugnis. Vorliegend erscheine der Test ohnehin ungeeignet, denn ausgehend von der Preisliste des Friseursalons ergäben sich naturgemäß überdimensional häufig auftretende Zahlen.

Konsequenz
Noch immer sind viele Unternehmen nicht oder nicht genügend auf die digitale Betriebsprüfung vorbereitet. Dabei steht den Prüfern für ihre Nachforschungen eine Vielzahl von mathematisch-statistischen Methoden zur Verfügung. Im Hinblick auf die Analysemöglichkeiten der Betriebsprüfung gibt dieses Urteil Hoffnung, dass Steuerpflichtige nicht unschuldig dem Manipulationsvorwurf ausgesetzt sind. Zur Streitvermeidung bleibt die Simulation einer digitalen Betriebsprüfung die optimale Vorbereitung.

16. Elternzeit kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers verlängert werden

Rechtslage
Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) müssen Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen wollen, gegenüber dem Arbeitgeber erklären, für welche Zeiträume innerhalb von 2 Jahren Elternzeit genommen werden soll. Die so festgelegte Elternzeit kann der Arbeitnehmer nur verlängern, wenn der Arbeitgeber zustimmt.

Sachverhalt
Die Klägerin arbeitete seit 2005 in Vollzeit bei dem beklagten Arbeitgeber. Nach der Geburt ihres fünften Kindes in 2008 nahm sie für ein Jahr Elternzeit in Anspruch. Kurz vor Ablauf der Elternzeit bat sie den Arbeitgeber unter Berufung auf ihren Gesundheitszustand erfolglos, der Verlängerung der Elternzeit um ein weiteres Jahr zuzustimmen. Als die Klägerin nach dem regulären Ende der Elternzeit ihre Arbeit nicht wieder aufnahm, mahnte der Arbeitgeber sie wegen unentschuldigten Fehlens ab. Mit der hiergegen gerichteten Klage war die Klägerin zunächst vor dem Arbeitsgericht erfolgreich; der Arbeitgeber wurde verurteilt, der Verlängerung der Elternzeit zuzustimmen und die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die Richter der zweiten Instanz sahen dies anders und billigten dem Arbeitgeber zu, seine Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zu verweigern. Danach sei die Abmahnung berechtigt gewesen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab schließlich wieder der Klägerin Recht.

Entscheidung
Die Richter der zweiten Instanz werden sich nochmals mit der Sache beschäftigen müssen. Ein Arbeitgeber muss nämlich nach billigem Ermessen darüber entscheiden, ob er der Verlängerung der Elternzeit zustimmt. Ob dabei im vorliegenden Fall alle wichtigen Umstände berücksichtigt wurden, muss das Untergericht noch klären und sodann erneut entscheiden, ob die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist.

Konsequenz
Ein Arbeitgeber darf jedenfalls nicht völlig frei über die Verlängerung einer Elternzeit entscheiden. Vielmehr muss er zwischen seinen und den Interessen des Arbeitnehmers abwägen und alle relevanten Faktoren in seine Entscheidung einbeziehen. Eine unvorhergesehene Entwicklung in der Lebensplanung des Arbeitnehmers muss demnach z. B. ebenso berücksichtigt werden wie eventuell auslaufende befristete Verträge.

17. Zur Pflichtmitgliedschaft in der IHK 

Kernaussage
Wird eine Rechtsanwalts- und Steuerberatergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH geführt, besteht eine Pflichtmitgliedschaft für die GmbH in der Industrie- und Handelskammer (IHK), auch wenn der Geschäftsführer als Steuerberater und Rechtsanwalt bereits Zwangsmitglied in der Steuer- und Rechtsanwaltskammer ist. Eine doppelte Pflichtmitgliedschaft ist sowohl mit Verfassungsrecht als auch Europarecht vereinbar.

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Ihr Geschäftsführer ist als Steuerberater und Rechtsanwalt tätig und daher Zwangsmitglied der Steuer- und Rechtsanwaltskammer. Die beklagte IHK hat die Klägerin zu Mitgliedsbeiträgen herangezogen, da diese als zur Gewerbesteuer veranlagte GmbH mit einer Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten Kammerzugehörige ist. Die Klägerin habe damit zwingend die Kammerbeiträge zu entrichten. Gegen diesen Beitragsbescheid hat die Klägerin Klage erhoben, da hiergegen verfassungsrechtliche und auch europarechtliche Bedenken bestünden. Die Klage blieb schließlich auch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) erfolglos.

Entscheidung
Eine Pflichtmitgliedschaft sowohl in de IHK als auch in einer Kammer der freien Berufe ist zulässig. Sie ist keine unzulässige Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit und verstößt damit nicht gegen Verfassungsrecht. Denn die doppelte Pflichtmitgliedschaft ist durch unterschiedliche legitime öffentliche Aufgaben der Kammern gerechtfertigt. Auch liegt kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vor, zumal kein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist. Darüber hinaus knüpft die Pflichtmitgliedschaft der IHK an die Betriebstätte im Inland an, so dass sowohl Unternehmer im Inland als auch solche aus den Mitgliedstaaten gleichermaßen erfasst werden.

Konsequenz
Das Urteil fügt sich in die bisherige Rechtsprechung ein, wonach bereits das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Pflichtmitgliedschaft in der IHK zulässig ist. Das OVG weist zu Recht auf die unterschiedlichen Rechtssubjekte hin, stellt dann aber klar, dass selbst eine mehrfache Pflichtmitgliedschaft keinen ernstlichen Zweifeln ausgesetzt ist.

18. Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen

Kernaussage
Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes sind zu bilden, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Vertrags erhält.

Sachverhalt
Der Kläger, ein Versicherungsvertreter, erhielt für die Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen eine prozentuale Abschlussprovision und für die Betreuung dieser Verträge eine Bestandspflegeprovision von seiner Versicherungsagentur. Nachdem diese Agentur in einer anderen aufgegangen war, erhielt der Kläger neben einer erhöhten Abschlussprovision keine Bestandspflegeprovision mehr. In der Gewinnermittlung für das Streitjahr passivierte der Kläger erstmals eine Rückstellung für Bestandspflege, die er nach der Anzahl der Verträge, der durchschnittlichen Laufzeit und dem geschätzten jährlichen Aufwand ermittelt hatte. Das Finanzamt versagte den Ansatz einer Rückstellung für Bestandspflege mit der Begründung, die Bildung sei wegen Unwesentlichkeit der Verpflichtung ausgeschlossen.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt. Die Rückstellung sei dem Grunde nach berechtigt, allerdings sei ein geringerer Stundenaufwand pro Vertrag zu berücksichtigen. Die Beurteilung haben nicht nach dem Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern nach der Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen zu erfolgen. Die Nachbetreuungsverpflichtung sei eine Sachleistungsverpflichtung, die mit den Einzel- und den Gemeinkosten zu bewerten sei. Aufwendungen für Werbeleistungen, die Kunden zu neuen Vertragsabschlüssen veranlassen sollen, sowie für die eigene künftige Arbeitsleistung des Betriebsinhabers dürfen nicht einbezogen werden.

Konsequenz
Wird eine Rückstellung für die Betreuungsverpflichtung gebildet, sind konkrete und spezifizierte Nachweise "vertragsbezogen" zu führen, die eine angemessene Schätzung belegen. Die Rückstellung muss jedes Jahr angepasst werden, dabei ist zu prüfen, in welchem Umfang der rückgestellte Aufwand tatsächlich angefallen ist.

19. Pensionsrückstellungen können mit den Anschaffungskosten zu bewerten sein

Kernaussage
Werden im Rahmen eines Betriebsübergangs Pensionsverpflichtungen gegen Entgelt übernommen, sind diese mit ihren Anschaffungskosten und nicht mit dem Teilwert (§ 6a EStG) zu bewerten. Der entgeltliche Erwerb einer Verpflichtung löst grundsätzlich keinen "Erwerbsgewinn" aus.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, erwarb zum 1.11.1999 mit einem Betriebsveräußerungsvertrag einen Fertigungsbetrieb, führte diesen fort und übernahm auch die aufgrund von Pensionszusagen bestehenden Pensionsverpflichtungen gegenüber den übernommenen Arbeitnehmern. Der Wert der Pensionsverpflichtungen wurde auf den Übertragungsstichtag mit einem Abzinsungssatz von 6 % ermittelt und minderte gemäß Betriebsveräußerungsvertrag den zu zahlenden Kaufpreis. Die GmbH wies diesen Wert in der Eröffnungsbilanz aus. Zum Abschlussstichtag des ersten Geschäftsjahres lag ein Pensionsgutachten vor, in dem ein niedrigerer Teilwert ermittelt wurde, mit einem Hinweis, der in der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Wert müsste beibehalten werden, da es sich um Anschaffungskosten handele. Das Finanzamt war der Meinung, in der Folgebilanz sei die Pensionsrückstellung mit dem Teilwert zu bewerten, so dass eine gewinnerhöhende Auflösung vorzunehmen sei.

Entscheidung
Das Finanzgericht Münster war der Ansicht, dass bei einer Bewertung der Pensionsrückstellungen zum Folgestichtag mit dem Teilwert eine Gewinnrealisierung erfolgt, die gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung spricht. Die Rückstellung ist deshalb solange mit den angemessenen Anschaffungskosten zu bewerten, bis der Teilwert höher ist.

Konsequenz
Das Gericht hat in seiner Entscheidung die Grundsätze zur Erfolgsneutralität von Anschaffungskosten auch auf den Erwerb von Pensionsverpflichtungen übertragen. Zu beachten ist, dass Erhöhungen der Pensionsrückstellungen auch erst ab dem Zeitpunkt möglich sind, in dem der Teilwert die Anschaffungskosten übersteigt.

20. Wegfall der Bürgenhaftung bei Wechsel des Hauptschuldners

Kernaussage
Ist eine Schuld durch eine Bürgschaft abgesichert, schließt üblicherweise ein Wechsel des Hauptschuldners die Haftung des Bürgen aus. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich der Hauptschuldner mit einem anderen Unternehmen zur Erfüllung seiner (werk)vertraglichen Leistungen in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft zusammenschließt. An die Stelle des im Bürgschaftsvertrag vorgesehenen Hauptschuldners tritt in diesem Fall ein neuer selbstständiger Rechtsträger, bei dem es sich nicht lediglich um einen Rechtsnachfolger handelt.

Sachverhalt
Eine GmbH & Co. KG sollte Auftragnehmerin der von einer Stadt vergebenen Bauleistungen sein. Die Klägerin (Bürgin) übernahm aufgrund eines Kautionsversicherungsvertrages Gewährleistungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG, resultierend aus dem Werkvertrag. Die Beklagte sicherte die Inanspruchnahme der Klägerin durch eine selbstschuldnerische Rückbürgschaft ab, wobei ein Inhaberwechsel, eine Änderung der Firma oder der Rechtsform auf Seiten des Hauptschuldners den Bestand der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren sollten. Den Bauvertrag schloss die Stadt allerdings mit einer Bietergemeinschaft in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft (ARGE), bestehend aus der GmbH & Co. KG und einer weiteren KG ab. Später wurde die Klägerin aufgrund der gewährten Bürgschaften von der Stadt in Anspruch genommen. Diese nimmt nunmehr die Beklagte als Rückbürgin in Regress. Das Oberlandesgericht wies die Klage schließlich ab.

Entscheidung
Die Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten erstreckt sich nicht auf die von der Klägerin gegenüber der ARGE übernommene Bürgschaften. Die Person des Hauptschuldners ist wirtschaftlich von so entscheidender Bedeutung, dass im Zweifel nicht unterstellt werden kann, dass sich die Bürgschaftsverpflichtung auch auf eine andere Person erstrecken soll. Eine ARGE stellt keinen Rechtsnachfolger dar. An die Stelle der im Bürgschaftsvertrag vorgesehenen Hauptschuldnerin tritt in diesem Fall ein neuer selbstständiger Rechtsträger. Eine Bürgenhaftung ergibt sich auch nicht aus der akzessorischen Haftung der GmbH & Co. KG als Gesellschafterin der BGB-Gesellschaft, denn hierbei handelt es sich nicht um zu sichernde Ansprüche aus dem Werkvertrag, sondern um eine gesellschaftsrechtlich begründete Verpflichtung.

Konsequenz
Wegen des Einflusses der Person des Hauptschuldners auf die Beurteilung der Bonität und Zuverlässigkeit und damit des Bürgschaftsrisikos ist die Entscheidung zu begrüßen. Liegt kein Fall der Gesamtrechtnachfolge vor, kann sich die Beurteilung des Risikos des Bürgen durchaus anders darstellen.

21. Wann dürfen Registergerichte Gesellschafterlisten zurückweisen?

Kernaussage
Jede Veränderung in der Person der Gesellschafter einer GmbH oder des Umfangs ihrer Beteiligung erfordert nach dem Gesetz eine Korrektur der Gesellschafterliste und deren (Neu-)Einreichung zum Handelsregister. Steht die Abtretung eines Geschäftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung, besteht indes noch kein Bedürfnis, die Gesellschafterliste zu ändern. Das Registergericht ist berechtigt, eine Liste mit lediglich angekündigten Veränderungen zurückzuweisen, denn hier ist kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich: ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht vor Bedingungseintritt von einem Dritten gutgläubig erworben werden.

Sachverhalt
Ein Notar hatte eine Gesellschafterliste einer GmbH zum Handelsregister eingereicht und darauf zu einem Geschäftsanteil einer Gesellschafterin vermerkt: "aufschiebend bedingt abgetreten". Weitere Änderungen ergaben sich aus der Liste nicht. Das Registergericht lehnte die Aufnahme der Gesellschafterliste ab, da sie keine bereits eingetretenen Veränderungen enthalte. Mit den hiergegen gerichteten Beschwerden blieb der Notar erfolglos.

Entscheidung
Die Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste setzt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erst mit Wirksamwerden der Veränderung in der Person des Gesellschafters ein. Vereinzelt wird es für zulässig gehalten, dass der Notar unmittelbar nach einer aufschiebend bedingten Anteilsabtretung eine neue Liste einreichen darf, die der hinterlegten entspricht, jedoch den Zusatz auf die bedingte Abtretung enthält (sog. "Zwei-Listen-Modell"). Diese Auffassung teilt der Bundesgerichtshof nicht, denn ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann von Gesetzes wegen nicht vor Bedingungseintritt von einem Dritten gutgläubig erworben werden. Die Gesellschafterliste begründet keinen Vertrauenstatbestand für die Freiheit des Geschäftsanteils von Belastungen oder für die uneingeschränkte Verfügungsmacht des Gesellschafters. Der gute Glaube bezieht sich vielmehr nur auf die Rechtsinhaberschaft.

Konsequenz
Dem Bestreben, einem Ersterwerber nach einer aufschiebend bedingten Geschäftsanteilsabtretung ein Mittel gegen einen gutgläubiger Erwerb dieses Anteils bei einer erneuten Abtretung durch den Veräußerer (Zweiterwerb) an die Hand zu geben, kann nicht mit der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste Rechnung getragen werden. Es steht nicht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt der von ihnen eingereichten Liste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen.

22. Erwerb unverkörperter Mitgliedschaftsrechte an einer AG

Kernaussage
Durch den Erwerb fehlerhaft bezeichneter Nennbetragsaktien anstelle von satzungsgemäß vorgeschriebenen Stückaktien, werden Mitgliedschaftsrechte an einer Aktiengesellschaft begründet. Entscheidend ist nämlich nicht das formal Erklärte sondern das wirtschaftlich Gewollte und tatsächlich Bewirkte. Die Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts in Gestalt von Aktienurkunden hat somit lediglich deklaratorische Bedeutung.

Sachverhalt
Eine Aktiengesellschaft (AG) wurde 1999 mit einem Grundkapital von 50.000 EUR, eingeteilt in 50.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien, gegründet. In der Folge stellte die AG verbriefte Aktienurkunden her, die mit einem als "Nennbetrag" bezeichneten Wert versehen und an die Aktionäre ausgegeben wurden. Im Januar 2001 vereinbarte der Kläger mit der AG, sich für 1,2 Mio. DM im Umfang von 1,5 % (entsprechend 750 Aktien) an der AG zu beteiligen. Der Kläger erhielt im Februar 2001 eine Aktienurkunde der AG im "Nennbetrag" von 250 EUR sowie im März 4 Aktienurkunden im "Nennbetrag" von jeweils 125 EUR ausgehändigt. Der Kläger veräußerte die Aktien mit Vertrag vom Februar 2002 zum Kaufpreis von 750 EUR an seine Schwester und machte beim Finanzamt einen Veräußerungsverlust von 612.800 EUR geltend, der ihm verwehrt wurde. Da das Grundkapital der AG in Stückaktien eingeteilt war, lag nach Auffassung des Finanzamts keine wirksame Verbriefung vor. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Veräußerungsverlust zusteht, denn er hat seine Gesellschafterstellung bei der AG durch die Übereignung der "Nennbetragsaktien" im Februar und März 2001 erlangt. Diese Übereignung ist als formfrei mögliche und zivilrechtlich wirksame Abtretung der maßgeblichen Mitgliedschaftsrechte der AG auszulegen. Denn die Beteiligten wollten übereinstimmend die Gesellschafterstellung des Klägers begründen, so dass der Verbriefung der Mitgliedschaftsrechte lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Deshalb kann eine mögliche Unrichtigkeit der Aktie den Erwerb nicht hindern. Durch die hier auch unter Familienangehörigen wirksame Übertragung der Beteiligung an der AG an seine Schwester verwirklicht der Kläger den einkommensteuerlich relevanten Veräußerungstatbestand und erzielte den geltend gemachten Verlust.

Konsequenz
Auch beim Erwerb von Aktien ist nicht an der tatsächlichen Formulierung zu haften; vielmehr sind der Wille der Beteiligten und die Begleitumstände zu würdigen.

23. Wann sind befristete Arbeitsverhältnisse älterer Arbeitnehmer wirksam?

Rechtslage
Nach dem bis zum 30.4.2007 geltenden Teilzeit-und Befristungsgesetz konnten mit älteren Arbeitnehmern (ab dem vollendeten 58. Lebensjahr) sachgrundlos befristete Arbeitsverträge geschlossen werden, es sei denn, es bestand ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit einem zuvor beendeten unbefristeten Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte vor dieser inzwischen geänderten Gesetzeslage in einem Altfall darüber zu entscheiden, ob auch mehrere vorangehende befristete Arbeitsverhältnisse die sachgrundlose Altersbefristung ausschließen konnten.

Sachverhalt
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Flugbegleiterin hatte mit Erreichen des 55. Lebensjahres tariflich geendet. Im Anschluss hatte die Klägerin auf dieser Grundlage mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit der Fluggesellschaft geschlossen. Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die letzte Befristung und klagte auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, wohingegen sich die Fluggesellschaft auf die sachgrundlos mögliche Altersbefristung nach ehemaliger Gesetzeslage berief.

Entscheidung
Das BAG gab der Klägerin Recht. Es mache keinen Unterschied, aus welchem Grund das ursprüngliche unbefristete Arbeitsverhältnis geendet habe. Die befristeten Arbeitsverträge schlossen nahtlos an das aufgrund Tarifvertrags beendete unbefristete Arbeitsverhältnis an. Deswegen bestehe ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang des letzten - mit der Klage angegriffenen - befristeten Arbeitsverhältnisses mit dem unbefristeten Arbeitsverhältnis, so dass eine sachgrundlose Befristung nicht mehr möglich gewesen sei.

Konsequenz
Die Entscheidung überrascht nicht. Tatsächlich war durch die befristeten Arbeitsverhältnisse im nahtlosen Anschluss an die ursprüngliche Beschäftigung ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben. Inwieweit die Entscheidung angesichts der inzwischen seit 4 Jahren geänderten Gesetzeslage noch Konsequenzen für laufende Arbeitsverhältnisse haben kann, wird für jede bestehende Altersbefristung einzelfallabhängig zu prüfen sein.

24. Keine Einbringung eigener Aktien der AG als Sacheinlage

Kernaussage
Eigene Aktien der Gesellschaft können nicht als Sacheinlage eingebracht werden. Besteht zwischen einem Wertpapierdarlehen und dem Verzicht auf Rückerstattung ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang, steht der Verzicht dem Einbringen der Aktien als Sacheinlage gleich.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Aktiengesellschaft. 2 der Beklagten waren Mitglieder des Vorstands, der weitere Beklagte Mitglied des Aufsichtsrats. Im Jahr 2000 erwarb die AG über ihre 100 %-igen Tochtergesellschaften Unternehmensbeteiligungen an Drittunternehmen, wobei die Kaufpreise jeweils anteilig durch Aktien der AG beglichen werden sollten. Hierzu beschloss der Aufsichtsrat, die für den Erwerb notwendigen Aktien durch Wertpapierdarlehen der Mehrheitsaktionärin zu beschaffen und die Darlehen mit neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung zurückzuführen. Nachdem die Mehrheitsgesellschafterin mit der AG und diese mit ihren Tochtergesellschaften Wertpapierdarlehensverträge über die Aktien abgeschlossen hatte, beschloss der Vorstand eine Sachkapitalerhöhung um 679.133 EUR durch Ausgabe von 679.133 Aktien an die Mehrheitsgesellschafterin zum Ausgabekurs von 43,97 EUR je Aktie. Die Mehrheitsgesellschafterin sollte die Einlage durch Verzicht auf die Rückforderung aus dem Wertpapierdarlehen erbringen. Die Aktien wurden sodann gezeichnet und ein entsprechender Verzicht wurde ausgesprochen. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrages von 10 Mio. EUR (von rund 30 Mio. EUR) aus dem Ausgabebetrag für die mit der Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien in Anspruch.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof gab dem Kläger Recht. Das Untergericht muss nun noch feststellen, ob der AG anrechenbare Vermögensvorteile durch die Verwertung der Aktien zugeflossen sind. Die Beklagten sind der AG zum Ersatz verpflichtet, weil sie Aktien vor Leistung des Ausgabebetrages ausgegeben haben. Der als Sacheinlage festgesetzte Verzicht auf den Rückerstattungsanspruch aus dem Wertpapierdarlehen war kein tauglicher Gegenstand einer Sacheinlage. Denn der Gesellschaft wurde mit der Überlassung der alten Aktien als Teil des Grundkapitals real kein neues Kapital zugeführt. Ferner konnte sie wegen der gesetzlich vorgeschriebenen notwendigen Sonderrückstellung auch keinen Vermögenszuwachs erfahren.

Konsequenz
Das Urteil stellt zutreffend fest, dass eine durch eigene Anteile finanzierte Kapitalerhöhung bereits mit den allgemeinen Grundsätzen zur realen Kapitalaufbringung unvereinbar ist.

25. AG Vorstände sind weitgehend weisungsunabhängig

Kernaussage
Im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen ist dem Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. So bestimmt es die sogenannte Business Judgement Rule. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. befasste sich aktuell mit der Frage, ob dieser Ermessensspielraum des AG-Vorstandes im Einzelfall auch ein Handeln gegen die Interessen des (Haupt-)Aktionärs erlaubt.

Sachverhalt
Die klagende AG macht gegen ihren früheren Vorstand und Mitgesellschafter einen auf die Verletzung der ihm gesetzlich obliegenden Sorgfaltspflichten gestützten Schadensersatzanspruch geltend. Der beklagte Vorstand hatte in Kenntnis seiner bevorstehenden Abberufung noch einen Beratungsvertrag mit einem externen Dienstleister abgeschlossen, der auch zuvor schon einen Fonds der Klägerin gemanagt hatte. Die AG war der Ansicht, der Beklagte habe den Beratungsvertrag nicht ohne vorherige informelle Rücksprache mit dem Aufsichtsrat abschließen dürfen. Ihm habe klar sein müssen, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem externen Dienstleister wegen der strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft nicht die Zustimmung des den Aufsichtsrat dominierenden Mehrheitsaktionärs finden werde. Ausschlaggebend für den Vertragsabschluss sei allein gewesen, dass der Beklagte eine für die AG negative Pressmitteilung des externen Dienstleisters habe verhindern wollen. Das OLG wies die Klage schließlich ab.

Entscheidung
Der beklagte Vorstand hat keine ihm obliegende Pflicht verletzt. Er nimmt von Gesetzes wegen eigenverantwortlich die Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben einer AG wahr und ist deshalb grundsätzlich, anders als der Geschäftsführer einer GmbH, weisungsfrei. Auch die Satzung einer AG darf dies nicht einschränken. Demgegenüber ist der Aufsichtsrat kein Organ der Geschäftsführung; er überwacht diese, sachliche Grundsatzentscheidungen trifft die Hauptversammlung. Geschäftsführungsmaßnahmen dürfen daher nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden. Die unternehmerische Entscheidung des Beklagten war haftungsrechtlich in Ordnung. Der externe Auftragnehmer konnte aufgrund der vorherigen Beauftragung als erfahren, fachlich kompetent und geeignet angesehen werden; ferner konnte eine negative Berichterstattung vermieden werden.

Konsequenz
Der Ermessensspielraum des AG-Vorstands bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgaben deckt auch ein Handeln gegen die Interessen eines Hauptaktionärs der AG. Ebenfalls eingeschlossen ist die Gefahr von Fehleinschätzungen und -beurteilungen. Letztere rechtfertigen zwar personalpolitische Konsequenzen, nicht aber generell eine Haftung.

26. Rechtswidrigkeit eines unbestimmten Betriebsprüfungsbescheides

Rechtslage
Die Ergebnisse aus einer Betriebsprüfung müssen, um bestandkräftig und durchsetzbar, insbesondere vollstreckbar, zu werden, in Form ordnungsgemäßer Verwaltungsakte gegenüber dem Betriebsinhaber erlassen werden. Das Bayerische Landessozialgericht hatte nunmehr über die Rechtmäßigkeit eines solchen Verwaltungsaktes zu entscheiden.

Sachverhalt
Im Betrieb des Klägers wurde durch die Deutsche Rentenversicherung eine Beitragsprüfung durchgeführt. Es wurde festgestellt, dass 2 Arbeitnehmer lediglich scheinselbstständig gewesen waren; für diese mussten folglich Sozialversicherungsbeiträge (nach)entrichtet werden. Die Deutsche Rentenversicherung erließ daraufhin einen Bescheid, aus dem sich insbesondere nicht ergab, in welchem Zeitraum die Scheinselbstständigkeit vorgelegen hatte, welche Beiträge nachzuentrichten waren und welcher Prüfzeitraum erfasst war. Die klage gegen den Bescheid war erfolgreich.

Entscheidung
Das Landessozialgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Bescheid, mit dem letztendlich nur die Tatsache festgestellt wurde, dass es zu einer Scheinselbstständigkeit gekommen war, nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge und damit rechtswidrig war. Insbesondere sei auf der Grundlage dieses Bescheides keine Zwangsvollstreckung möglich.

Konsequenz
Auch wenn es sich vorliegend um einen recht offensichtlichen Fall eines fehlerhaften Bescheides handelte, sollten die Folgen einer Betriebsprüfung nicht einfach so hingenommen werden. Gelegentlich lohnt sich auch der Angriff gegen Zahlungsbescheide aus rein formellen Erwägungen; gegebenenfalls reicht schon ein grundlegender Fehler des Bescheides für dessen Rechtswidrigkeit aus.

27. Privater Arbeitgeber muss Besetzung freier Stelle mit Schwerbehinderten prüfen

Kernaussage
Arbeitgeber sind verpflichtet, zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können. Um auch arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen, müssen sie frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. So bestimmen es die Vorschriften der Sozialgesetzbücher. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun, dass diese Pflicht auch für private Arbeitgeber gilt.

Sachverhalt
Der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger hat eine kaufmännische Berufsausbildung, ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert. Er bewarb sich bei der beklagten Gemeinde auf deren ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung in den Bereichen Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt. Die Gemeinde besetzte die Stelle jedoch anderweitig, ohne zuvor zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden konnte. Sie nahm diesbezüglich auch keinen Kontakt zur Agentur für Arbeit auf. Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), weil er sich wegen seiner Behinderung benachteiligt sah. Erst vor dem BAG hatte der Kläger Erfolg.

Entscheidung
Die Pflicht zu prüfen, ob schwerbehinderte Menschen bei der Besetzung freier Stellen berücksichtigt werden können, besteht immer und für alle Arbeitgeber. Sie ist unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, wird dies als Indiz dafür gewertet, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hatte. Da vorliegend die beklagte Gemeinde die Vermutung einer solchen Benachteiligung nicht widerlegen konnte und auch die Einschaltung der Agentur für Arbeit versäumt hatte, verwies das BAG den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück. Das Gericht hat nun noch über die Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung zu entscheiden.

Konsequenz
Die gesetzliche Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen trifft alle Arbeitgeber, nicht nur die des öffentlichen Dienstes. Ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber kann sich darauf berufen, dass die Verletzung dieser Pflicht seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lasse.

28. Voraussetzungen der "fehlerhaften Gesellschaft"

Kernaussage
Die Lehre von der "fehlerhaften Gesellschaft" dient der Abwicklung unwirksam geschlossener Gesellschaftsverträge. Die Unwirksamkeit kann z. B. auf einem Formfehler, einer Anfechtung oder auf einem Verstoß gegen zwingendes Recht beruhen. Die Gesellschaft wird dann aber nicht rückwirkend abgewickelt, sondern für die Vergangenheit als wirksam behandelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte nun, dass die Voraussetzung für eine fehlerhafte Gesellschaft, nämlich die auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichteten Willenserklärungen der Beteiligten, dann nicht vorliegt, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet.

Sachverhalt
Das Vermögen der Klägerin und deren Schwester wurde von dem Beklagten, ihrem Vater, verwaltet. Wegen Meinungsverschiedenheiten sollte der Beklagte die ihm erteilte Generalvollmacht nur noch nach vorheriger Information der Klägerin und interner Abstimmung der Schwestern nutzen. Sodann schloss der Beklagte unter Nutzung der Vollmacht einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit sich selbst ab und brachte dort das gesamte Vermögen seiner Töchter ein. Er bestimmte sich zum alleinigen Geschäftsführer und schloss alle Verfügungen der Töchter bis zum Jahr 2022 aus. In der Folgezeit änderte der Beklagte die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, indem er 2 GbR's gründete, in die er jeweils das Vermögen einer Tochter einbrachte, während die andere Schwester und er selbst nur zu je 0,5 % beteiligt waren. Die auf die Klägerin laufenden Konten ließ er aufgrund der Vollmacht ohne Rücksprache mit der Klägerin umschreiben; so dass dieser jegliche Verfügungsmöglichkeit entzogen war. Sodann veranlasste der Beklagte als Geschäftsführer der GbR die Übertragung sämtlicher Konten auf eine weitere GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er selbst war. Die Klägerin verlangte daraufhin Schadensersatz für die Eingriffe in ihre Verfügungsbefugnis. Der BGH gab der Klägerin Recht, verwies die Sache aber an das OLG zurück.

Entscheidung
Das OLG war zu Unrecht von einer fehlerhaften Gesellschaft und damit von deren Wirksamkeit ausgegangen. Eine solche Gesellschaft setzt einen Gesellschaftsvertrag voraus; hierbei müssen Willenserklärungen der Beteiligten vorliegen, die auf dessen Abschluss gerichtet sind. Ein rechtsgeschäftliches Handeln fehlt aber, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet. Der Beklagte hatte den Gesellschaftsvertrag nämlich rechtsmissbräuchlich abgeschlossen. Er hatte eigenmächtig und in einem Insichgeschäft gehandelt. Damit handelte es sich vielmehr um eine Scheingesellschaft, die - im Gegensatz zur fehlerhaften Gesellschaft - nicht entstanden ist und auch nicht für die Vergangenheit als wirksam behandelt wird. Das OLG muss daher den klägerseits dargelegten, durch die Verfügungen des Beklagten entstandenen Schaden nochmals prüfen.

Konsequenz
Beim rechtsmissbräuchlichen Abschluss eines Gesellschaftsvertrages durch Überschreiten einer Vollmacht sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht anzuwenden. Es mangelt dann ebenfalls an einem vom Willen aller Gesellschafter getragenen Vollzug des Gesellschaftsvertrages.

29. Nur Wiederverkäufer können die Differenzbesteuerung nutzen

Rechtslage
Die Differenzbesteuerung ist ein Sondertatbestand des Umsatzsteuergesetzes (UStG), der es beim Handel mit gebrauchten Gegenständen unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, die Umsatzsteuer aus der erzielten Marge zu ermitteln. Die Umsatzsteuer wird hierbei nicht offen ausgewiesen.

Urteil des Bundesfinanzhofs zur Differenzbesteuerung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte mit Urteil vom 29.6.2011 geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Differenzbesteuerung angewendet werden kann. Demnach muss schon der Einkauf des Gegenstandes mit dem Zweck erfolgen, diesen später wieder zu verkaufen. Der Wiederverkauf muss dabei nicht das primäre Ziel der Anschaffung sein, aber zumindest nachrangig verfolgt werden. Daneben muss der Wiederverkauf zur normalen Tätigkeit des Verkäufers gehören. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn ein Unternehmer regelmäßig gebrauchte Kfz für sein Betriebsvermögen erwirbt und diese im Rahmen der Ersatzbeschaffung in Zahlung gibt.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat das Urteil akzeptiert und nun in den Umsatzsteueranwendungserlass (USTAE) integriert.

Konsequenzen
Für den normalen Gebrauchtwagenhändler ändert sich durch die neue Rechtslage nicht viel. Lediglich bei Verkauf seines eigenen betrieblichen Pkws aus dem Anlagevermögen kann ihm nun die Differenzbesteuerung versagt werden, wenn er nicht nachweisen kann, diesen mit der Absicht des Wiederverkaufs erworben zu haben. Unternehmer, die nicht regelmäßig gebrauchte Gegenstände an- und verkaufen, können die Differenzbesteuerung nicht in Anspruch nehmen.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de